MARKUS, 54

GESCHÄFTSFÜHRER

Und dann bist du dir immer treu geblieben

Und Roomservice wird mit U und H geschrieben

Und ich mach’ mein Ding.

Egal, was die ander’n labern

Was die Schwachmaten einem so raten

Ich mach’ mein Ding.

– Udo Lindenberg, Mein Ding

GoF: Als der Journalist und Autor Moritz von Uslar 50 Jahre alt wurde, sagte er, „Ich fühle mich insgesamt schwerer, unbeweglicher, auch im Gehirn schwerer, statischer, langsamer.“ Und Du so? 

 

Markus: Ich laufe. Das Laufen, hat mich eigentlich immer schon glücklich gemacht. Das einzige Problem ist, dass man jetzt hinterher natürlich seinen Körper anders spürt als noch vor zehn Jahren. Ein guter Lauf macht mich insofern heute doch glücklicher, wenn er schmerzfrei ist, und weil ich es durchgehalten habe. Am Ende ist es genau das: immer wieder mit und gegen diese Schmerzen zu arbeiten. Das ist mein Ausgleich, und ja, ich glaube auch, das Laufen durchaus jung hält.

 

Wenn ich Deine leicht ergrauten Schläfen sehe: Bist Du ein typischer alter weißer Mann?

 

Mir ist das nicht bewusst, wie man ,alter weißer Mann‘ übersetzt oder was diejenigen damit meinen, die das so nennen. Für mich ist es eine Frage der Erfahrung, der Reflektiertheit, der Seriosität, der Gelassenheit. Das sind sicher Aspekte, die im Alter kommen. Ich sehe mich nicht als denjenigen, der verantwortlich ist für die Umweltschäden, die wir der kommenden Generation hinterlassen, zumindest nicht in meiner Person. Aber richtig ist schon, dass auch meine Generation nicht genug gegen die Verschwendung der Ressourcen getan hat. Aber auch, dass es für meine Generation noch nicht zu spät ist, daran etwas zu ändern.

 

Einige Jüngere sehen das offenbar anders. Erlebst Du es, dass es weniger Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der älteren Generation gibt? 

 

Wenn ich mal die Generation meiner Kinder nehme, erlebe ich täglich, dass sie bereit sind, sich mit mit meiner Generation auseinanderzusetzen, sich den Diskussionen zu stellen, sich auch mal den Spiegel vorzuhalten. Ich bin auch noch nie mit diesem ,okBoomer‘ konfrontiert worden. Die Frage ist ja: Wie gehen wir mit der Diskussion und den Themen um, die zum Beispiel Fridays for Future angestoßen hat. Ich glaube, das ist mittlerweile auch in unserer Generation angekommen und auch die Bereitschaft, sich zu hinterfragen und Dinge anders zu machen. Dieses ,okBoomer‘ ist für mich keine Begrifflichkeit, die mich irgendwie trifft. Habe ich mir noch nie Gedanken drüber gemacht.


„Das Gute ist, dass es mittlerweile eine Lobby für Veränderung gibt, dass nicht mehr so ein Drama aufgeführt wird, auf Dinge zu verzichten.“


Das, was ich von meinen Kindern lerne und was mir die junge Generation beim Abendessen in der Diskussion mitgibt, ist mehr, als ich je gedacht hätte. Ich habe auch für mich selbst die Erkenntnis gewonnen, dass man etwas verändern muss. Das Gute ist, dass es mittlerweile eine Lobby für Veränderung gib, dass nicht mehr so ein Drama aufgeführt wird, auf Dinge zu verzichten. Dass dieser Status-Symbol-Gedanke heute ein anderer ist. Das ist ein schleichender Prozess, aber er kommt, weil eben eine massive Position eingenommen wurde.

 

Kinder können einen jung halten. Empfindest Du Dich eigentlich so alt, wie Du tatsächlich bist?

 

Mittlerweile denke ich immer wieder darüber nach, habe ich eigentlich noch diesen jugendlichen Touch, den ich in der Vergangenheit hatte? Ich meine, das war lange Zeit für mich okay, ist ja nicht falsch, immer ein bisschen jünger zu wirken. Mittlerweile muss ich sagen, habe ich aber fast das Gefühl, dass ich wohl mein reales Alter auch optisch erreicht habe, und das finde ich schon schade. Es gibt in meiner Generation aber relativ viele, bei denen man schon recht deutlich sieht, dass da nicht alles natürlich ist, weil die Person nicht dazu steht.

 

Apropos „dazu stehen“: Warum möchtest Du hier nicht Deinen vollen Namen publik gemacht wissen?

 

Ich habe eigentlich kein Problem damit, meinen vollen Namen zu nennen. Aber wenn man die Fünfzig überschritten hat, läuft man eher Gefahr als nicht up-to-date wahrgenommen zu werden. Es geht auch darum, wie man in einer gewissen Führungsposition in einem Unternehmen wahrgenommen wird.


„Dadurch, dass sich mit der Digitalisierung alles super schnell entwickelt, kann man noch so fit sein, man kann nicht alles wissen.“


Früher war ich nicht nur Manager, sondern auch zugleich immer ein Fach-Experte für diverse Einzelthemen, und das ist heute aufgrund der diversifizierten Kommunikationsmedien eine ganz andere Challenge. Heute gibt es Situationen, in denen kaum jemand in ganzer Breite überblicken kann, was technologisch und prozessual eigentlich gerade alles möglich ist. Wir müssen heute auch Entscheidungen intuitiv fällen, ohne wirklich das komplett verfügbare Wissen über die Situation zu haben. Das war früher weniger komplex, weniger beweglich, es war eindeutiger, besser zu überblicken.

Nun könnte ich sagen, gut, so viel Selbstvertrauen habe ich schon, zu wissen, dass man noch nie alle Antworten auf alle Herausforderung haben konnte. Morgen, übermorgen oder in der Zukunft kommen werden. Aber trotzdem fühlt man sich natürlich in einem Spannungsfeld.

Es bleibt eine gewisse Restunsicherheit. Früher nannte man das ,zum alten Eisen‘ gehören. Dadurch, dass sich mit der Digitalisierung alles super schnell entwickelt, kann man noch so fit sein, man kann nicht alles wissen. Ich glaube, man kann keine Kulisse im Berufsleben aufbauen, dafür sind wir zu schnell unterwegs, die Kulisse könntest du gar nicht so schnell hin und her schieben.

 

Letztens sagte mir jemand, er habe seit seinem fünfzigsten Geburtstag das Gefühl, mit mehr Selbstzufriedenheit und überhaupt unumstößlicher in der Welt zu stehen. Ist das schon auf eine Art selbstgefällig, fängt das Eisen da an zu rosten?

 

Ich fühle mich nach wie vor noch getrieben. Darum vielleicht auch das Laufen. Es ist eine Typfrage und auch abhängig von dem gesamten Umfeld. Kinder halten einen jung, das erlebe ich ja täglich. Die Dialoge, die Du mit Heranwachsenden führst, fordern einen viel mehr, als ich das je gedacht hätte. Und es hängt ab von der Branche, in der Du bist. In der Kommunikationsbranche sind Veränderungen gravierend und extrem schnell. Da musst Du ständig agieren und selbst super schnell sein.

 

Nicht alle wollen so schnell sein, einige Ältere fühlen sich getrieben, auch aus Angst, keine ausreichende Digitalkompetenz zu haben und darum belächelt zu werden.

 

Ich habe auch Freunde, die sich in einem Umfeld befinden, wo es die größte Neuerung ist, eine neue Chatfunktion zu nutzen, um ihren täglichen Arbeitsprozess zu steuern, und das ist dann für die eine echte Herausforderung. Die Digitalisierung ist schon eine Herausforderung für die Generation.

Der gesamte Umgang mit digitalen Medien ist ein anderer als bei den Zwanzigjährigen. Aber ich weiß nicht, ob nicht auch die Dreißig- oder Vierzigjährigen eine ähnliche Herausforderung empfinden. Andererseits stelle ich natürlich auch fest, dass Digitalisierung nicht nur komplexer, sondern auch Vieles leichter macht. 

Wenn wir vor zehn Jahren zu einem Termin zu bestimmten Kunden gefahren sind, brauchten wir einen IT-Schnittstellen-Experten, damit wir den Kunden überhaupt verstehen. Das ist heute nicht mehr so.

 

Ist es eigentlich aus Deiner Erfahrung wahr oder nur ein Vorurteil, dass junge Mitarbeitende heute ein anderes Arbeitsethos haben: weniger konzentriert, weniger dialogfähig, weniger loyal?

 

Ich glaube schon, dass die junge Generation ein bisschen kanalisiert und strukturiert werden muss, weil sie natürlich als Berufseinsteiger erst einmal extrem breit und ohne Grenzen denken, – was aber auch genau das ist, was die Unternehmen momentan wollen. Im nächsten Schritt muss man das Ganze dann auf die Straße bekommen, und das geht nur mit gewissen Strukturen und klaren Zielvorgaben.

Ich bin seit neunundzwanzig Jahren hier, habe aber gefühlte fünfzehn Mal meinen Arbeitgeber gewechselt. Darum bin ich noch hier. Es vergeht kaum ein Jahr, in dem wir nicht in einer nächsten Umstrukturierung sind, in dem nicht die nächste große Herausforderung kommt, die nächste große Investitionsentscheidungen gefällt werden muss.


„Es gibt nicht mehr den Geschäftsführer, der ganz allein für die Entscheidungsfindung zuständig ist.“


Für ein Unternehmen, das sich permanent weiterentwickelt und immer neue Perspektiven aufzeigt, ist es relativ leicht, Jüngere zu binden. Den Druck hast Du natürlich, und wenn Du das nicht kannst, wird diese Person weiterziehen. Die Jungen bringen immer wieder neue Impulse rein und polarisieren an manchen Stellen, aber sie bekommen von mir auch immer ihre Bühne. Das ist ein Stück weit die Lösung. 

 

Neue Impulse erscheinen oft in Form von medial verwertbaren Buzzwords. New Work, Purpose, nivellierte Hierarchien … eine ganze Branche baut ihr Geschäftsmodell darauf auf, Unternehmen beratend beim Aufbau zeitgemäßer Strukturen zur Seite zu stehen. Gibt es noch den klassisch leitenden Geschäftsführer?

 

Es gibt natürlich den Geschäftsführer, der Verantwortung trägt, aber es gibt nicht mehr den Geschäftsführer, der ganz allein für die Entscheidungsfindung zuständig ist. Wenn ein Mitarbeiter zu mir kommt, der von mir eine Entscheidung will, dann sage ich in der Regel, entscheide selbst. Es gehörte schon immer mit dazu, die Verantwortung auch abzugeben. 

Zu der ganzen New-Work-Diskussion habe ich darum ehrlicherweise keine so klare Meinung. So wie manche Unternehmen, die ihre gesamte Fläche kündigen und komplett ins Home Office gehen. Wir brauchen das Sparring, das Miteinander, um Kreativität zu erzeugen. Auch, um in der Zusammenarbeit überhaupt die Komplexität der Anforderungen lösen zu können. 

 

Interessanterweise weisen Studien darauf hin, dass die Gen Z bei aller Hinwendung zum Digitalen zugleich eine nahezu familiäre Nähe zu Freunden schätzt: Kann die jüngere Generation in der Zusammenarbeit noch etwas mit den Sekundärtugenden anfangen, wie zum Beispiel Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Loyalität, Disziplin? 

 

Wenn wir von der Young Generation sprechen, die ich im Job um mich habe, dann würde ich nicht sagen, dass die Sekundärtugenden auf der Strecke geblieben sind. Man muss ja ehrlicherweise sagen, dass diese Generation meistens auch die junge Generation auf Kundenseite anspricht – da findet das Matching einfach besser statt. Wir beiden alten Säcke verstehen uns jetzt hier ganz gut, haben einen guten Dialog, aber wäre das auch so, wenn Du 30 wärst? So sicher nicht. Daher sehe ich da kein Problem auf uns zukommen. Das entwickelt sich einfach auf der Generationsebene jeweils weiter. 

 

Bist Du eigentlich woke? Die Neue Zürcher Zeitung schrieb, „Wokeness ist die Steigerung von Political Correctness“.

 

Vielleicht ist es die Lebenserfahrung, dass ich in gewissen Situationen denke, was soll das jetzt? Prangern, Polemik, Provokation führen letztlich zu nichts, und am Ende ist unsere Generation heute dafür da, eine aufgebrachte Situation zu beruhigen. Von daher versuche ich, nicht in solche Hörner zu blasen.

Nimm die schlechte Presse der deutschen Bahn, wo ich mich überhaupt nicht aufregen kann, weil ich einfach sage: Ja, mein Gott, das ist ein riesen Apparat, der uns mobil hält in einer viel besseren Perfektion als Unternehmen in vielen anderen Ländern. Hier muss man dann diese Gelassenheit haben, einfach zu sagen, verstehe ich nicht, das ganze Gemecker … einfach mal locker und tolerant bleiben.

 

Von der Schiene zu neuen Geschäftsideen: Einfach mal machen, dann weitersehen. Können klassische Unternehmen diese disruptive Denke adaptieren?

 

Natürlich ist es vor dem Hintergrund der Digitalisierung viel einfacher geworden, eine Geschäftsidee auf die Straße zu bekommen. Aber wir wissen auch beide, dass jede Innovation hohe Investitionen und Geduld benötigt. Daher ist für mich die betriebswirtschaftliche Perspektive immer entscheidend. Wir müssen uns überlegen, was es bedeutet, in einen Businesscase zu investieren und wie ein substanzieller ROI realisiert werden kann. Ich glaube, das geht sehr vielen Unternehmern so.

Ganz ehrlich, diese wir-müssen-Fehler-machen-Mentalität, Fehler sind gut, Fehler sollten prämiert werden, da bin ich kein Fan von. Klar machen wir auch Fehler in unseren Entscheidungen, aber jeder dieser Fehler hat uns in der Entwicklung oftmals eher zurückgeworfen und nicht nach vorne gebracht. Wir investieren in der Regel nicht in verschiedene Start-up-Ideen, sondern in Weiterentwicklungs-Themen. In meiner Welt ist das also nicht so einfach, immer wieder in Neues zu investieren.

 

Schrittweise Innovation schlägt Disruption?

 

Grundsätzlich sind viele ganz neuen Ideen vom Wesen her immer disruptiv, sie zerstören irgendein Geschäftsmodell. Die Frage ist also, launcht ein Unternehmen ein Produkt, das das eigene Hauptbusiness angreift? Das setzt eine ganz klare Geschäftsmodell-Entscheidung voraus. Häufig werden aber solche Innovationszellen aus der allgemeinen Marketingstruktur ausgecroppt, einfach aus der Sorge heraus, sich weiter entwickeln zu müssen, ohne vielleicht ganz genau zu wissen, ob das große Schiff auch wirklich in die Richtung fahren soll. 

 

Braucht es für disruptive Ideen eher Jüngere, die mutiger sind und denen es nichts ausmacht, wenn das Alte zerbricht?

 

Jeder von uns hat ja schon mal zu Haus gesessen und überlegt, was wäre eine geile Geschäftsidee? In der jungen Generation ist es absolut normal, ein Unternehmen zu gründen. Auf Linkedin sind mittlerweile extrem viele Gründer dabei.


„Das Ganze funktioniert zwischen den Generationen nur im Sparring und im Miteinander.“


Warum kann das diese Generation, und warum ist es in unserer Generation eher selten? Das sind natürlich die Unbedachtheit und die Unabhängigkeit, die diese Generation noch hat.

Damit komme ich wieder auf das Altersthema zurück. In unserem Alter gibt es gewachsene Abhängigkeiten, die man nicht einfach so vom Tisch wischen kann und die einen in bestimmten Bahnen halten. Ich habe großen Respekt davor, wenn Menschen in unserem Alter ihren Job aufgeben und sagen, ich gründe, ich habe eine Idee, ich mache was Neues. Tolle Leistung, ist aber nicht meins. 

Dass aber die Jüngeren die einzigen sind, die uns in die Zukunft führen können, denke ich ganz klar nicht. Weil das Ganze ganz nur im Sparring und im Miteinander funktioniert. Ich meine, es gibt uns Ältere ja, deswegen geht das gar nicht anders. Wir haben in meiner Jugend das Problem gehabt, einen Ausbildungsplatz zu finden, uns weiterzuentwickeln. Jede Generation wird mit ihren Herausforderungen umgehen und das Beste daraus machen. Aber am Ende ist der Generationsmix die Lösung unserer Herausforderungen.

Markus fing in einem inhabergeführten Unternehmen als Trainee an, wurde nach verschiedenen Stationen dort erst Abteilungsleiter und dann Geschäftsführer.


Udo, Sylt und Labskaus

Lieblingssongs/-InterpretInnen:

Cat Stevens (als er sich noch selbst so genannt hat) Udo Lindenberg, Ed Sheeran, Lukas Graham, Alicia Keys, Roger Cicero, Sarah Conner, Tina Dico, Kitschkrieg und und und

Lieblingsbuch/-Podcast:

Entscheider treffen Haider

Lieblingsfilm/-Serie:

Mare TV 

Lieblingsmarke:

Oakley

Lieblingsreiseziel:

Sylt

Lieblingsessen:

Labskaus

Lieblingsspruch:

Wer mit seinen Stärken arbeitet, wird stärker. (Ingo Krawiec)

Unterirdisch finde ich …

… Intoleranz.

Ich chille am besten, wenn ich …

… laufen gehe.

Meine größte Freude ist es, …

… mich zu bewegen.


©Bild: sporlab auf Unsplash