Ältere Beschäftigte gewinnen auf dem Arbeitsmarkt zunehmend an Attraktivät. Eine kleine Umfrage unter Unternehmen zeigt: Es tut sich eine Menge, aber noch nicht genug. […]
Der Wille in Unternehmen wächst, auch Menschen jenseits der 50 als Menschen zu sehen, die einen Job nicht nur ausüben wollen, sondern auch ausüben können. Doch was ist mit den Taten? Wie weit sind Unternehmen heute schon tatsächlich mit der konkreten Umsetzung von Altersdiversität? Tijen Onaran, eine der bekanntesten und erfolgreichsten Diversitätsvorkämpferinnen, gibt den Unternehmen auf einer Skala von eins (sehr schlecht) bis 10 (super) eine "solide sechs". Sie sagt: "Einige Unternehmen haben wirklich erkannt, dass sie schlichtweg nicht mehr wettbewerbsfähig sind, wenn sie nicht auf eine diverse Altersstruktur setzen." Mittlerweile sei die Dimension "Alter" in ihrer Diversity-Beratung eines der am meisten nachgefragten Themen überhaupt.
Bei Beratern nachfragen tun die Unternehmen also schon mal. Fragt man sie selbst, halten sich viele aber noch ziemlich bedeckt – oder antworten erst gar nicht. Von zwölf für diesen Beitrag angeschriebenen Unternehmen schaffen es gerade mal sechs, überhaupt Angaben zu ihren Strategien für mehr Altersdiversität zu machen. Vier Unternehmen antworten gar nicht. Ein Kosmetikkonzern lässt ausrichten, binnen der dreiwöchigen Frist „aus Kapazitätsgründen“ leider nicht antworten zu können. Eine Versicherung schickt immerhin den Satz: „Unsere Einstellungsentscheidung hängt von der Qualifikation, der persönlichen Motivation und dem Cultural Fit des Bewerbers ab, nicht vom Alter.“ Hört sich nach PR an? Ist es auch. […]
39 Prozent der Mitarbeitenden bei EnBW sind derzeit über 50 Jahre alt. 2022 waren von 815 Neueintritten 81 über 50, was einer Quote von 10 Prozent entspricht. Rückert-Hennen: „Ich finde, dass wir schon gut positioniert sind.“ Dennoch könne man sich vor allem im Bereich Neueinstellungen noch verbessern. Ohne Zweifel seien Ü50-Mitarbeitende Teil der Lösung und nicht des Problems: „Talent hat nichts mit dem Alter zu tun.“ […]
Vor knapp einem Jahr wurde dafür die neue unternehmensweite Qualifizierungsoffensive „Turn2Learn“ gestartet. In deren Rahmen investiert Mercedes allein in Deutschland bis 2030 knapp 1,3 Mrd. Euro in eLearning-Plattformen und andere Weiterbildungsmaßnahmen. Zum Programmstart im Juli 2022 sagte Sabine Kohleisen, Personalvorständin und Arbeitsdirektorin der Mercedes-Benz Group: „Mit Turn2Learn schaffen wir grenzenlose Möglichkeiten für lebenslanges Lernen. In der Transformation ist lebenslanges Lernen kein Modewort, sondern die Bedingung für den Erfolg – für das Unternehmen sowie alle Kolleginnen und Kollegen.“ Mercedes geht sogar noch einen Schritt weiter: Im Programm „Senior Experts“ greift der Konzern auf das Know-how schon im Ruhestand befindlicher Mitarbeitenden zurück, die ihr Wissen zeitlich befristet in Projekteinsätzen einbringen. […]
Der Anteil der Ü50 unter den neu eingestellten, unbefristeten Beschäftigten [bei Nestlé Deutschland] lag 2022 bei 14,6 Prozent und ist damit im Vergleich zu 2021 um rund 70 Prozent gestiegen. Und das bei ohnehin recht hohem Niveau: Mehr als 40 Prozent aller unbefristet angestellten, aktiven Mitarbeitenden bei Nestlé gehören der Altersgruppe über 50 Jahre an.
So weit ist Vodafone noch nicht. Bei diesem Telekommunikationskonzern sind derzeit gut 25 Prozent der Belegschaft über 50 Jahre alt, der Anteil der Ü50 an den Neueinstellungen lag 2022 bei knapp 5 Prozent. „Wir sind davon überzeugt, dass vielfältige Teams uns nicht nur bereichern, sondern auch erfolgreicher machen. Deshalb halten wir eine vielfältige Altersstruktur für richtig“, heißt es von Vodafone. Der Konzern macht aber auch darauf aufmerksam, dass Altersdiskriminierung nicht nur die U50, sondern alle Altersgruppen betrifft. „Man denke nur an die Aussage 'Was will der Jungspund mir erzählen?'“ Der Konzern setzt deshalb auf Seminare wie „Herausforderung der Generationen – Planung unterschiedlicher Lebensphasen“, die sich an Mitarbeitende aller Altersstufen wenden.
[…] weil Zalando wie viele andere Unternehmen Best Ager inzwischen ebenso als Zielgruppe wie als Testimonial entdeckt – und damit älteren Semestern generell zu mehr Sichtbarkeit verhilft. Und genau das wird beim Kampf gegen Ageism dringend benötigt. Diversitätsexpertin Timen Onaran bringt es auf den Punkt: „Wir sprechen immer über Role Models in puncto Geschlechtervielfalt, aber wo sind eigentlich die Age Influencerinnen und Influencer“?
©Text: HORIZONT, 07.04.2023 | ©Foto: George Dagerotip auf Unsplash